Rund 350 Gäste strömten am Abend des 19. Februar in die Bayerische Akademie der Wissenschaften, um sich von Prof. Rainer Blatt auf einen schnellen Ritt durch die Geschichte der Quantenphysik mitnehmen zu lassen. Begonnen bei den physikalischen Grundlagen und anfänglichen Überlegungen verschiedener Physiker um 1900, die im Jahr 1925 mit der Formulierung der Quantenmechanik einen einheitlichen Rahmen bekamen, führte Blatt durch die vergangenen 100 Jahre und die stetige Weiterentwicklung der Theorie bis hin zur Umsetzung in kommerzielle Produkte. Die Liste der Technologien, die dem Publikum bestens bekannt sind – GPS, Magnetresonanztomographie, Halbleiter, Laser und viele, viele mehr – ist lang. Dass diese Technologien auch auf Phänomenen der Quantenphysik beruhen, dürfte dagegen für einige der Zuhörenden neu gewesen sein.
Der Experimentalphysiker Blatt forscht seit vielen Jahrzehnten auf dem Gebiet der Quantenoptik und Quanteninformation und konnte daher seinen Vortrag mit Anekdoten aus seiner Laufbahn schmücken. So gehört er zu den ersten, die im Labor einen Quantensprung, den Übergang eines Energiezustands eines Atoms in einen anderen, beobachten konnten. Er hat die Lacher des Publikums auf seiner Seite, als er sich darüber amüsiert, dass umgangssprachlich der Begriff „Quantensprung“ für einen großen Fortschritt oder Durchbruch verwendet wird, wo doch ein tatsächlicher Quantensprung die denkbar kleinste physikalische Änderung sei.
Schließlich kommt Blatt in der Gegenwart an und spricht über die aktuellen Entwicklungen, die darauf beruhen, einzelne Quanten gezielt zu kontrollieren und ihre besonderen Eigenschaften für innovative Technologien, wie beispielsweise das Quantencomputing, auszunutzen. Dass dabei die Fähigkeit von Quantenteilchen zur Überlagerung und Verschränkung, zugrunde liegt, ist das, was Blatt dem Publikum gerne mit auf den Weg geben würde. „Mein Vortrag trägt den Titel ‚und das ist erst der Anfang‘“, sagt Blatt, „und das ist etwas, woran ich wirklich glaube.“ Technologie für Quantenkryptografie sei bereits kommerziell verfügbar, aber auch Quantensimulation und leistungsstarke, für eine Vielzahl an Anwendungen nutzbare Quantencomputer hält Blatt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten für realistisch, denn „es gibt kein physikalisches Gesetz, das mir sagt, es geht nicht.“
Viele Fragen aus dem Publikum
Nach rund einer Stunde – eine erstaunlich kurze Zeit für die große Fülle an Informationen – beendet Blatt seinen Vortrag, um sich den überaus zahlreichen Fragen des Publikums zu stellen. Diese reichen von grundsätzlichen Fragen – was für eine räumliche oder zeitliche Ausdehnung haben Quanten eigentlich – über Erkundigungen nach dem Stand der Quantenkryptografie oder der Verbindung von Quantencomputing und Machine Learning.
Dabei ist es Blatt immer auch wichtig, Erwartungsmanagement zu betreiben. Bei allem angebrachten Optimismus, den der Physiker ehrlich und voller Überzeugung vertritt, sei es wichtig, sich nicht von einem Hype mitreißen zu lassen und der Entwicklung ausreichend Zeit einzuräumen. Wie es komme, dass das Feld so langsam voranschreite, im Vergleich mit Blick auf die Atomforschung in der Vergangenheit beispielsweise, schließt sich daran eine Frage aus dem Publikum an. „Das ist Ansichtssache“, antwortet Blatt lachend. Hinterher betrachtet würden viele Entwicklungen geradliniger erscheinen als sie tatsächlich vonstattengingen. Und er baut auf den wissenschaftlichen Nachwuchs. Vielleicht käme demnächst eine junge Doktorandin oder ein junger Doktorand ins Spiel, mit einem frischen Blick und einem neuen Ansatz, der das Potential hat, das Feld grundlegend umzukrempeln.
Persönlich wird es ganz zum Schluss, als Rainer Blatt danach gefragt wird, was er als Experimentalphysiker gerne noch erreichen oder erleben würde. Da muss er nicht lange überlegen: Ein Problem aus der Quantenchromodynamik berechnen, beziehungsweise mit einem Quantencomputer simulieren. Oder etwas allgemeiner: Normalerweise würden Erkenntnisse aus der Forschung genutzt, um neue Technologien zu entwickeln. Er würde hingegen nun gerne die entwickelten Technologien nutzen, um Fragen aus der Forschung zu beantworten. Für das Herzblut und seinen Enthusiasmus, die deutlich aus seiner Antwort herauszuhören sind, brandet spontaner Applaus im Saal auf.
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