„Ich weiß, meine Arbeit ist für etwas gut"

Quanten-Algorithmen zugänglicher machen

Als Teil des Munich Quantum Valleys hat Xiao-Ting Michelle To das Gefühl, zu einem großen Vorhaben etwas Sinnvolles beizutragen. Mit ihrer Forschung will sie die Komplexität von Quantenalgorithmen für Anwender:innen vereinfachen.

Von Veronika Aechter

Das Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) liegt fast versteckt in den Ausläufern des Englischen Gartens. In Xiao-Ting Michelle Tos Büro hört man ganz leise die Blasmusik vom Chinesischen Turm herüberwehen. Aus ihrem Fenster blickt sie direkt ins Grüne. „Ich liebe diesen Ausblick“, schwärmt sie. „Wir überlegen, ein kleines Häuschen mit Nüssen für die vielen Eichhörnchen zu bauen.“ Kein schlechter Ort also, um an ihrer Promotion in Quanteninformatik zu arbeiten.

Dass die 25-Jährige bei einem Quantenthema gelandet ist, war eher ein Zufall. „Als ich auf der Suche nach einem Thema für meine Bachelorarbeit war, hatte ich noch keine richtige Ahnung, was Quantencomputing überhaupt ist“, erzählt sie. Doch ihre Bachelorarbeit, in der sie sich mit einem Thema aus dem Bereich Quantenannealing befasste, zog Michelle in ihren Bann. „Ich fand es thematisch einfach cool und als ich im nächsten Semester meinen Master in Informatik anfing, habe ich gesehen, dass eine Vorlesung zur Einführung in Quantencomputing angeboten wird“, erzählt sie. Danach suchte sie gezielt nach allen Seminaren und Praktika, die sich mit Quantencomputing beschäftigten. „Und jetzt bin ich hier!“, sagt Michelle und lacht.

Nach dem Abitur war für Michelle noch nicht klar, dass ihr Weg hierherführen würde. Sie wusste aber schon immer, dass sie studieren will, und dass sie dafür an die LMU kommen möchte. Schließlich entschied sie sich für ein Informatik-Studium, weil ihr das schon zu Schulzeiten viel Spaß gemacht hatte. Warum es ihr ausgerechnet die LMU so angetan hat, kann sie auch nicht mehr so genau sagen – aber vermutlich hängt es mit einem Schulausflug zusammen: „Wir haben auf diesem Ausflug auch die LMU besucht. Ich fand das Gebäude so schön, das hat mich schon überzeugt“, erzählt sie mit einem Schmunzeln. Außerdem sei ihr Familie sehr wichtig und sie wollte gerne für ihr Studium in der Nähe bleiben.

Michelle pendelt jeden Tag aus Erding an das Institut am Englischen Garten. „Natürlich ist es eine Strecke, aber ich finde das schon in Ordnung“, erzählt sie. Eine gute Stunde brauche sie, die Zeit lasse sich aber gut für Dinge ausnutzen, zu denen sie sonst nicht kommt. Podcasts hören zum Beispiel oder, um ihrem neuen Hobby nachzugehen: „Gerade habe ich angefangen zu häkeln“, lacht sie, „das ist ein guter Ausgleich.“ Besonders in den langen Phasen mit verpflichtendem Home-Office habe ihr die Fahrt tatsächlich gefehlt.

Mit Quantum Algorithmic Skeletons Komplexität vor Anwender:innen verstecken

Auch wenn ihr der Zugang zur Quantenwelt erstmal schwerfiel – „ich glaube zu 100% versteht das niemand“ – begeistert die Informatikerin, dass man letztendlich alles mathematisch schön aufschreiben und beweisen kann. Dass auch Wissenschaftler:innen die Vorteile von Quantencomputern nutzen können, ohne sich auf Gatter-Ebene mit der komplexen Quanten-Programmierung auseinander setzen zu müssen, treibt Michelle in ihrer Forschung an.

Xiao-Ting Michelle To, 25


Position

Doktorandin


Institut

LMU - Institut für Informatik
QACI


Studium

Informatik


Michelle beschäftigt sich in ihrer Forschung mit "Quantum Algorithmic Skeletons". Diese sollen die Komplexität von Quanten-Algorithmen auf Gatter-Ebene für Programmierer:innen unsichtbar machen und so einem breiteren Feld deren Anwendung ermöglichen.

Michelle in ihrem Element: Programmieren mit Blick ins Grüne.

Im Rahmen ihrer Promotion beschäftigt sie sich mit sogenannten Quantum Algorithmic Skeletons. „Im Prinzip geht es darum, die komplizierten Quanten-Gegebenheiten vor Programmierer:innen zu verstecken“, erklärt die Doktorandin. Am Ende sollen Anwender:innen mit Basis-Wissen über Quantenalgorithmen in der Lage sein, mit abstrakteren, einfacheren Formulierungen zu arbeiten. Dass Michelle als Mitglied des Munich Quantum Valley ein Teil von einem großen Ganzen ist, motiviert sie zusätzlich: „Ich weiß einfach, dass meine Arbeit als Teil dieses großen Projekts für etwas gut ist. Am Ende ist mein Anteil vielleicht nicht direkt sichtbar, aber man weiß, dass man im Hintergrund etwas gemacht hat, was geholfen hat. Das finde ich cool.“

Außerdem schätzt sie den Austausch, den insbesondere das Review-Meeting letzten Herbst hervorgebracht hat. Dort habe sie Leute getroffen, die an ähnlichen Dingen arbeiten wie sie, vor allem an Quanten-Programmierung. „Wir haben immer noch regelmäßige Meetings, in denen wir besprechen, woran wir aktuell arbeiten. Gerade mit den Leuten von der TUM wäre ich sonst nie in Kontakt gekommen.“

Neue Perspektiven einnehmen

Der Kontakt zu ihren Kolleg:innen in der Forschungsgruppe ist auch das, was der Doktorandin zu Beginn ihrer Promotion am meisten geholfen hat. „Gerade am Anfang ist man schon noch ein bisschen verloren, muss sich erstmal überlegen, wie man seine Arbeit am besten strukturiert und Prioritäten setzt“, meint sie. Da hilft es, dass sie sich mit ihrem Team so gut versteht und weiß, dass sie jederzeit um Hilfe bitten kann. Auch außerhalb der Arbeit trifft sich ihre Gruppe zu gemeinsamen Aktivitäten. Gerade waren sie zusammen wandern: „Ich habe immer noch Muskelkater, weil ich das wirklich gar nicht gewohnt bin“, erzählt Michelle. Spaß habe es trotzdem gemacht. Selbst lässt es die 25-Jährige in ihrer Freizeit gerne eher ruhig angehen, spielt Spiele und schaut Serien. „Ich gehe auch sehr gerne und viel Spazieren“, ergänzt sie, „aber das ist kein Vergleich mit Bergwandern.“

Auch wenn Michelle sich selbst als Stubenhockerin bezeichnet – ihr Auslandssemester in Hangzhou, dem „Silicon Valley“ Chinas, knapp 200 Kilometer von Shanghai entfernt, beweist das Gegenteil. Michelles Familie kommt ursprünglich aus China, sie selbst war allerdings bis zu ihrem Auslandssemester noch nie dort und spricht auch „nur“ einen chinesischen Dialekt, wie sie erzählt. An der LMU belegte sie bereits einen Kurs in Mandarin, bevor sie beschloss, das Land und die Sprache noch genauer kennenzulernen. „Das hat sich dann einfach richtig angeboten – mir das anzuschauen und gleichzeitig noch etwas zu lernen, hat mich motiviert.“ Wenn sie ihre Zeit in China beschreiben soll, kommt ihr besonders ein Aspekt in den Sinn: alles ist ganz anders! „Mir hat gefallen, dass man komplett in eine andere Welt eingetaucht ist. Für mich als Chinesin war der Kulturschock vielleicht nicht ganz so groß, aber auch für mich war es etwas ganz Neues.“ Und Mandarin könne sie jetzt auch sprechen.

Neue Perspektiven erhofft sich die Doktorandin auch von ihrer Forschung. Es sollen sich noch mehr Leute trauen, sich mit der Quanten-Programmierung auseinanderzusetzen, ohne zu tief einsteigen zu müssen. „Vielleicht können andere ja noch etwas Neues entdecken, wenn sie aus einem anderen Blickwinkel auf ein Problem schauen. Wir sind jetzt alle in so einer Low-Level-Perspektive, aber vielleicht kommen einem einfach gute Ideen, wenn man nicht ganz so tief drin ist.“ Das kann man als eindeutigen Aufruf an die Quanten-Community verstehen, sich über den eigenen Tellerrand hinweg miteinander zu vernetzen.

Veröffentlicht am 21.07.2023; Interview am 07.06.2023