Etwas Neues erforschen und dabei das Beste aus sich herausholen – das ist die Motivation von Theodora-Augustina Drăgan. In ihrer Arbeit auf dem Gebiet des Quanten-Maschinenlernens entwickelt sie Programme, die Probleme effizienter lösen können.
Von Veronika Früh
Theodora Drăgan deutet auf einen Roboter-Arm in einem der Labore am Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme (IKS) – in der Zukunft ganzen Horden von Robotern beizubringen, sich effizient zu organisieren, das wäre ein Traum für sie. Theodora ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer IKS und forscht dort an klassischem und Quanten-Maschinenlernen. Ihr Blick ist dabei immer auf mögliche Anwendungen gerichtet.
„Mein Weg hat mich gefunden, nicht umgekehrt“, erzählt Theodora von ihren Anfängen im Bereich Quantencomputing und bezeichnet sich selbst als Glückspilz. Nach ihrem Bachelorabschluss in Informatik und Ingenieurwissenschaften in Rumänien kam die 26-jährige vor vier Jahren nach Deutschland, um an der TU München ein Masterstudium in Informatik anzuschließen. Die Vorlesung zur Einführung in Quantencomputing begeisterte Theodora sofort. Von da an belegte sie jeden möglichen Kurs im Bereich Quantencomputing, für Theodora die perfekte Mischung aus Informatik und Physik. „Ich habe die Vorlesungen wirklich geliebt und mein Professor war großartig!“. Dieser Professor, Christian Mendl, betreute schließlich auch ihre Masterarbeit zum Thema Quantum Reinforcement Learning, welche Theodora am Fraunhofer IKS schrieb. Hier war es die "fantastische Führung von Jeanette Lorenz", so Theodora, die ihre weitere Arbeit maßgeblich prägte.
Quantum Reinforcement Learning erklärt Theodora gerne am Beispiel der Maus im Labyrinth, die den richtigen Weg finden muss, um an ein Stück Käse zu kommen. Im Reinforcement Learning geht es um die Idee, dass ein Agent, ein in gewissem Maße eigenständiges Computerprogramm, durch Interaktionen lernt, eine bestimmtes Umgebungsproblem, im Beispiel das Labyrinth, zu lösen. Für die richtige oder beste Lösung gibt es eine Belohnung – im Fall der Maus ist das der Käse. Theodoras Maus ist ihr Algorithmus. Doch wie sieht eine Belohnung für einen Algorithmus aus? Eine Funktion bestimmt, welche Handlungen gut oder schlecht sind. „Es ist eigentlich genau das Gleiche wie bei der Maus“, erklärt die Wissenschaftlerin, „nur ist es hier eine Zahl, nicht mehr und nicht weniger. Wenn du gut performst, ist das deine Belohnung: eine höhere Zahl“, erzählt Theodora mit einem Lächeln. Man könne das auch als die Genauigkeit eines neuronalen Netzwerks verstehen. Neuronale Netzwerke sind Programme für maschinelles Lernen, die von den Netzwerken aus biologischen Neuronen im menschlichen Gehirn inspiriert sind. Theodoras Arbeit konzentriert sich darauf, die neuronalen Netzwerke, die Input aus der Umgebung verarbeiten, um die richtige Entscheidung zu finden, mit verschiedenen Quantenschaltkreisen zu ersetzen. Das ist die eine Seite des Quantum Reinforcement Learning. „Auf der anderen Seite versuchen wir, das Rauschen und die Überlagerung, die es in Quantenschaltkreisen gibt, auszunutzen, um beispielsweise die Unsicherheit in menschlichen Entscheidungen zu imitieren“, erklärt Theodora.
Ihr Interesse dafür, wie Dinge im Innersten funktionieren, entdeckte Theodora schon früh. Ihr Vater, ein Netzwerkingenieur, brachte gerne Computer mit nachhause und baute sie auseinander, während Theodora zusah. „Ich fand das ziemlich faszinierend“, erzählt die 26-jährige, „daher wollte ich als Kind IT-Ingenieurin werden, wie mein Vater.“ Ihre Arbeit konzentriert sich mittlerweile weniger auf die Hardware, doch ihre ursprüngliche Studienwahl in den Ingenieurswissenschaften rührt daher. „Ich habe nie konkret davon geträumt, Wissenschaftlerin zu werden, aber ich habe immer davon geträumt, Antworten auf schwierige Fragen zu finden“, beschreibt Theodora ihren weiteren Weg. Genau das ist es auch, was sie am Thema Quantencomputing so fasziniert: Die Neuartigkeit und die Möglichkeit, neue Wege zu erkunden – und dabei regelmäßig in Frage zu stellen, was sie über die Physik und die Informatik glaubt zu wissen.
Sobald Theodora an Algorithmen arbeitet, ist es jedoch gar nicht so entscheidend, ob sie einen klassischen oder einen Quantenalgorithmus schreibt, da das Level an Abstraktion dabei ohnehin so hoch ist. „Man kann auch in klassische Reinforcement Learning Umgebungen seine Quantenschaltkreise einfach integrieren. Das ist kein Problem“, erklärt sie. Der Vorteil von Quantenschaltkreisen, auf den Theodora hofft, ist, dass ein Agent für das Lernen weniger Interaktionen mit der Umwelt benötigt, denn solche Interaktionen können teuer sein: „Gerade wenn wir an medizinische Anwendungen denken, kann der Agent nicht wieder und wieder mit der Umwelt interagieren, denn die Umwelt ist der Patient.“ In einem Paper, das Theodora und ihre Kolleg:innen letztes Jahr veröffentlicht haben, konnten sie zeigen, dass Quantum Reinforcement Learning bei einem Wegeplanungsproblem besser abschnitt als das klassische Pendant. „Und zwar deutlich besser“, betont Theodora und freut sich sichtlich. „Ich konnte eindeutig sehen, dass die Quantenlösung schneller lernte.“ Was Theodora in ihrer Forschung antreibt, ist das Streben nach Exzellenz, das sie auch an Jeanette Lorenz beobachtet und bewundert. „Es motiviert mich ungemein, sehr sicher in meiner Forschung zu sein, das Vertrauen in das, was ich tue, zu haben“, erzählt sie. Dafür nimmt es die Wissenschaftlerin auch in Kauf, mal bis spät abends an ihrem Schreibtisch zu sitzen, um ein kompliziertes Problem zu lösen. Je mehr Aufwand sie in ein Projekt steckt, desto stolzer machen sie am Ende auch die Ergebnisse.
Position
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Institut
Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme (IKS)
QACI
Studium
Informatik
Theodora forscht am Fraunhofer IKS an Quantum Reinforcement Learning, einer Form des Quanten-Maschinenlernens. Sie entwickelt Quantenalgorithmen für konkrete Anwendungsfälle mit dem Ziel, mit möglichst wenig Interaktionen ein Problem zu lösen.
Dass sie am Fraunhofer IKS an konkreten Anwendungsfällen forschen kann, gefällt Theodora am Besten an ihrer Arbeit. „Ich darf Code implementieren. Und versuchen, Probleme zu lösen. Und vielleicht das Leben von jemand anderem besser machen“, fasst sie es zusammen. Die enge Verbindung zwischen Forschung und Industrie war für Theodora auch einer der Gründe, für ihren Masterabschluss nach Deutschland und an die TUM zu kommen. „In anderen Ländern gibt es diese Lücke. Man schließt sein Studium ab, und was dann?“, erzählt sie. Sie hatte sich zwar auch in anderen Ländern beworben, doch als sie für ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ausgewählt wurde, „überraschenderweise, der Auswahlprozess war ziemlich hart“, wie sie selbst sagt, fiel ihr die Entscheidung leicht.
Auch während ihres Bachelorstudiums nutzte Theodora bereits die Möglichkeit, ein Semester im Ausland, and der École Polytech Montpellier, zu verbringen. Die Kurse in Frankreich legten den Fokus auf Web-Entwicklung und waren damit komplementär zu Theodoras Studium in Rumänien, das sich mehr auf die Hardware konzentrierte. Es waren nicht nur die Inhalte, die die damalige Studentin von der Polytech Montpellier überzeugten: „Es ist Südfrankreich!“, schwärmt sie mit einem Lächeln, „was sehr sonnig und reizvoll ist“. Hauptsächlich verbrachte sie ihre Zeit dort zwar mit Lernen, die Standards sind hoch, doch das warme Wetter und die Sonne vermisst sie noch heute. „Und die französische Küche“, ergänzt sie. Insbesondere beim Wetter kann Deutschland nicht mithalten, doch davon abgesehen freut es Theodora sehr, wie herzlich und aufgeschlossen die Menschen hier sind. „Ich fing während der Pandemie an, hier zu studieren und hatte Sorgen, ich würde nur alleine in meinem Zimmer sitzen. Das war überhaupt nicht der Fall, das schätze ich immer noch sehr“, erzählt sie. Manchmal fühlt sie sich in München noch immer wie eine Touristin. „Ich kann immer noch neue Orte entdecken“, sagt Theodora lachend.
Maschinelles Lernen, Quantencomputing – das Feld in dem Theodora forscht, strotzt nur so vor Schlagworten, die derzeit viel Aufmerksamkeit bekommen und mit hohen Erwartungen verbunden sind. Diese Erwartungen realistisch einzuordnen und dafür immer auf dem aktuellsten Stand zu sein, findet die Wissenschaftlerin wichtig. „Aber es ist auch großartig, mit den Träumern zu sprechen, von ihnen bekommt man den Input, was Leute von der Technologie erwarten“, erklärt sie. Am Fraunhofer IKS steht sie gewissermaßen zwischen der Wissenschaft und der Industrie, diese Herausforderung gefällt ihr. „Man muss gleichzeitig im Blick behalten, was möglich ist und was für einen Kunden für einen konkreten Zweck interessant sein könnte“, erzählt sie. Dafür müsse man bodenständig bleiben – doch Ideen der Träumer seien immer willkommen.
Veröffentlicht am 31. Mai 2024; Interview am 27. Februar 2024