Die intellektuelle Herausforderung ist es, die Daniela Zahn motiviert. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen baute sie das Kryo-Labor am Fraunhofer EMFT auf und testet dort Hardware-Komponenten für Quantencomputer. Die anspruchsvolle Charakterisierung von Qubits macht ihr dabei besonders viel Spaß.
Von Veronika Früh
Eine Gruppe von Schülerinnen reiht sich in einem Labor am Fraunhofer-Institut für Elektronische Mikrosysteme und Festkörper-Technologien (EMFT) um eine Wärmebildkamera. Im Rahmen des Girls’Day haben sie kleine Stromkreise mit verschiedenen Widerständen zusammengebaut, die sie jetzt mit der Wärmebildkamera untersuchen. „An Stellen, an denen ihr in Mikrochips starke Wärmeentwicklung beobachten könnt, stimmt meistens oft nicht“, erklärt Daniela Zahn, die die Mädchen durch die verschiedenen Experimente führt. Das, was Daniela hier mit einfachen Versuchsaufbauten demonstriert, prägt auch sonst ihren Alltag als Wissenschaftlerin. Die 33-Jährige ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer EMFT und hier vorrangig für das Testen elektronischer Halbleiterbauelemente und Quanten-Hardware-Komponenten bei tiefsten Temperaturen im Kryostaten zuständig.
Am Fraunhofer EMFT werden verschiedene Hardware-Komponenten für Quantencomputer basierend auf supraleitenden Qubits hergestellt und erforscht, mit dem Ziel, diese Technologie skalierbar zu machen. „Das erste Thema sind dabei natürlich die Qubits selbst“, erklärt Daniela. Diese werden am Institut auf Wafern, Siliziumscheiben von rund 20 cm Durchmesser, gefertigt. Hierbei verwendet das Institut vorwiegend Prozesse und Materialien, die kompatibel mit etablierter Halbleiterfabrikationstechnik sind. Die Idee sei es dabei, viele Qubits reproduzierbar herzustellen, so die Wissenschaftlerin. „Diese Qubits testen wir dann“, fährt sie fort. „Da gibt es einen ganzen Zoo an Messungen, die wir implementieren, um möglichst viel über unsere Qubits zu lernen.“ Dass dabei viele zeitaufgelöste Messungen zum Einsatz kommen, mache die Analyse von Qubits zu einer ihrer anspruchsvolleren Aufgaben. Noch komplizierter wird es, wenn Qubits nicht einzeln charakterisiert werden sollen, sondern mehrere Qubits gekoppelt sind – so, wie es für die Anwendung im Quantencomputing nötig ist. Auf solche Messungen bereiten sich Daniela und ihre Kolleg:innen im Kryo-Labor gerade vor. „Das ist messtechnisch definitiv mit Abstand das Herausfordernste und Spannendste“, so die Physikerin und der Spaß an der Herausforderung ist ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Doch was ist eigentlich so komplex an der Aufgabe? „Es ist nicht schwierig, irgendein Signal zu messen“, führt Daniela aus, „aber es ist schwierig, das richtige Signal zu messen. Man muss den Messaufbau sehr gut im Griff haben, damit man tatsächlich das sieht, was man messen wollte.“
Qubits sind nicht die einzigen Quanten-Hardware-Komponenten, die Daniela bei extrem niedrigen Temperaturen im Kryostaten – darin herrscht eine Temperatur von wenigen Millikelvin, nahe am absoluten Nullpunkt – analysiert. Für die 3D-Integration, eine Methode in der Chipherstellung, bei der mehrere Chips aufeinander gestapelt werden, kommen sogenannte Through-Silicon-Vias (TSVs) und bump interconnects zum Einsatz, die die einzelnen Komponenten der verschiedenen Ebenen miteinander verbinden. Ein „must-have“ für die Skalierbarkeit von Quantenchips, wie die Wissenschaftlerin erklärt. „Wir testen hier, ob das klappt, ob die Verbindungen supraleitend werden, ob das Signal gut durchkommt“, führt sie aus. Außerdem braucht es Leitungen, die die Qubits auf dem Chip mit den Steuersystemen des Computers verbinden. Je mehr Qubits auf einem Chip sind, desto mehr Leitungen braucht es auch, jede der Recheneinheiten einzeln anzusteuern und auszulesen – mit steigender Qubit-Zahl erhöht das auch stetig den Platzbedarf für die steigende Zahl an Leitungen. Um dem entgegenzuwirken, entwickelt das Fraunhofer EMFT eine neue Art von Verbindung: „Wir arbeiten hier an flexiblen Kabeln, damit man diesen ganzen Haufen an Leitungen ersetzt durch flexible, dünne, supraleitende Leitungen“, erklärt Daniela. „Diese Flexkabel testen wir auch im Kryostaten.“ Um die Messzeiten am Kryostaten möglichst effizient auszunutzen, versuchen sie und ihre Kolleg:innen im Kryo-Labor immer, möglichst viele Komponenten gleichzeitig zur Charakterisierung in den Kryostaten einzubauen.
Position
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Institut
Fraunhofer-Institut für Elektronische Mikrosysteme und Festkörper-Technologien (EMFT)
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Studium
Physik
Daniela testet verschiedene Hardware-Komponenten für Quantencomputer. Im Kryo-Labor am Fraunhofer EMFT analysiert sie bei extrem tiefen Temperaturen unter anderem Qubits, sogenannte Through-Silicon-Vias (TSVs) und flexible supraleitende Verbindungen. Ihre Analyse der Quantencomputing-Hardware ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu skalierbaren Quantencomputern basierend auf supraleitenden Qubits.
Dass Daniela am Fraunhofer EMFT heute anwendungsorientierte Forschung betreiben kann, gefällt ihr besonders gut. Begonnen hat sie ihre wissenschaftliche Karriere in der Grundlagenforschung. Nach ihrem Bachelor- und Masterabschluss in Physik an der Freien Universität Berlin promovierte sie am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin. „Da war ich auch im Bereich Festkörperphysik, aber viel mehr in der Grundlagenforschung“, erzählt die Wissenschaftlerin. Auf mikroskopischer Ebene untersuchte sie, wie in Festkörpern Elektronen mit dem Kristallgitter und mit der magnetischen Ordnung interagieren, was Grundlagen vieler Eigenschaften von Festkörpern sind. „Was ich an der Grundlagenforschung immer ein bisschen mühsam fand ist, dass man das Ergebnis oder das Produkt noch nicht gesehen hat“, erinnert sie sich. Ob dann am Ende wirklich eine Anwendung aus der Arbeit hervorgehe, wisse man dabei eben nie. Am Fraunhofer EMFT habe sie dafür „einen optimalen Mix“ aus Forschung und Nähe zur Anwendung, die sie sehr motiviert. „Gerade bei der anwendungsnahen Forschung ist es ja so, dass man potentiell etwas macht, was dann die Technologie voranbringt“, freut sie sich.
Seit zwei Jahren arbeitet Daniela jetzt im Kryo-Labor des Fraunhofer-Instituts, das sie maßgeblich mit aufgebaut hat. Aus ihrer Zeit als Doktorandin hatte sie schon etwas Wissen über Vakuum- und Kryotechnik, die elektrischen Messungen der Qubits waren jedoch neu für sie. „Davor habe ich eher Optik gemacht“, erzählt Daniela, „aber letztendlich sind das alles Wellen. Die einen sind eben im optischen Bereich, die anderen sind Mikrowellen.“ Viele Prinzipien würden sich dabei ähneln, so sei es gar nicht schwer gewesen, in das neue Thema reinzukommen. Ähnlich pragmatisch beschreibt sie auch ihren Zugang zur Quantenmechanik: „Die Natur verhält sich, wie sich die Natur verhält. Da hat man keine Auswahlmöglichkeiten, das muss man akzeptieren. Dann hat man eine Theorie, die das beschreibt und dann lebt man damit.“ Also lebt sie einfach damit und kümmert sich um die Messungen von „allem, was hier im Haus so hergestellt wird“.
Neben der eigentlichen Laborarbeit – „Messungen zum Laufen zu bringen oder auch mal Python-Code schreiben“ – hat Daniela die letzten zwei Jahre auch viel Zeit mit dem Aufbau des Kryo-Labors verbracht: „Am Anfang habe ich viel Raumplanung gemacht. Wo stellt man was hin, welche Geräte kaufe ich, sind das die richtigen Geräte für meine Messungen?“ Viel Arbeit, die sich gelohnt hat: Für den schnellen und guten Aufbau des Labors wurden sie und ihre Kolleg:innen mit dem institutsinternen „Team-Award“ ausgezeichnet. Und auch jetzt ist die Wissenschaftlerin, wenn sie in ihrem Kryo-Labor steht, gedanklich schon wieder bei den nächsten Aufbauarbeiten: „Wir bekommen ja noch einen zweiten Kryostaten. Da frage ich mich, was könnte man verbessern, was könnten wir in Zukunft brauchen. Und ich freue mich auf all die Möglichkeiten und die coolen Messungen, die wir noch machen wollen.“
Dabei motivieren sie vielfältige, komplexe Aufgaben am meisten: „Ich suche auf jeden Fall die intellektuelle Herausforderung“, erzählt die Wissenschaftlerin. „Und gerade Messtechnik, das ist ein bisschen so, wie Detektivin sein. Du kriegst ein paar Hinweise und dann musst du verstehen, was los ist. Das gefällt mir einfach wahnsinnig gut.“ Dass Physik viel mit Verstehen zu tun hat, hat sie von Anfang an von ihrem Studienfach überzeugt. Nach dem Abitur hatte Daniela zunächst ein Medizinstudium begonnen, aber auch schnell wieder aufgehört – zu viel Auswendiglernen für ihren Geschmack. Jetzt hat sie das Gefühl etwas zu tun, das besser zu ihren Stärken passt und ebenfalls sinnvoll ist. Oder etwas, was zumindest die Chance habe, sinnvoll zu sein, wie sie es formuliert – in der Forschung wisse man schließlich nicht immer, was am Ende rauskommt.
„Was mich außerdem immer sehr motiviert, ist es, mit jüngeren Leuten zusammenzuarbeiten und ihnen auf ihrem eigenen wissenschaftlichen Weg zu helfen“, ergänzt sie. Ihr wichtigster Rat an alle Nachwuchswissenschaftler:innen ist dabei, sich nicht einschüchtern zu lassen – auch nicht von der Physik zum Beispiel – und das zu tun, was einem prinzipiell Spaß macht, was einem am meisten liegt. Im Nachhinein fände sie es selbst ein bisschen schade, dass sie sich selbst nie in Ingenieursberufen gesehen habe. „Daran habe ich einfach nie gedacht, als Option“, führt sie aus. Schon mit ihrem Physikstudium sei sie als Frau etwas aus der Konvention gefallen, bei einem Elektrotechnikstudium wäre die unausgewogene Geschlechterverteilung noch stärker gewesen. Während ihres Studiums war das allerdings nichts worüber sie sich viele Gedanken machte, eher davor und danach. „Ich war die einzige Schülerin im Physik-Leistungskurs. Da habe ich mich schon manchmal wie so ein Alien gefühlt, so mit 17, 18 Jahren“, erzählt sie. Auch im Studium war sie eine von wenigen Frauen, doch gestört habe es sie da nicht mehr so sehr und sie habe es auch nicht als Nachteil empfunden. Schließlich sei relativ klar gewesen, was man tun muss, um erfolgreich voran zu kommen. „Lerne, schreib deine Prüfungen, dann funktioniert das. Da habe ich mich immer gewundert, warum so ein großer Aufstand um solche Themen gemacht wird“, fasst Daniela zusammen. „Sobald man mit dem Studium fertig ist, ist weniger klar, was die Erfolgsfaktoren sind. Da kommt dann eher der Moment, wo man sich fragt, wie setzt man sich durch, wie wird man ernst genommen, solche Sachen, kleine Nuancen.“ Heute ist die Wissenschaftlerin selbst in einer Position, wissenschaftlichen Nachwuchs gezielt zu fördern. „Ich würde das aber nicht auf Mädchen oder Frauen eingrenzen“, betont sie. „Sondern ich finde es einfach wichtig, junge Leute, die motiviert sind und mit viel Energie kommen auch entsprechend zu unterstützen.“ Daher versucht sie immer, Interessierten ein Praktikum am Fraunhofer EMFT zu ermöglichen und legt viel Wert darauf, Studierende bestmöglich bei ihren Abschlussarbeiten zu betreuen und zu unterstützen. „Klar würde ich mir wünschen, dass sich mehr Mädels trauen, Physik zu wählen, wenn ihnen das liegt“, meint sie mit einem Lächeln. Die Schülerinnen-Gruppe vom Girls’Day kann sich auf jeden Fall schon einmal besser vorstellen, wie das aussehen könnte.
Veröffentlicht am 28. Februar 2025; Interview am 26. November 2024.