„Ich versuche Berechnungen auf Quantencomputern sicher zu machen“

IT-Sicherheit für Zukunftstechnologie

Trotz ihrer Vorliebe für mathematische Fächer, wagte sich Barbora Hrdá an das Informatikstudium erst in einem zweiten Schritt heran. Heute weiß sie um ihre Fähigkeit, sich mit genügend Ehrgeiz in komplexe Themen einarbeiten zu können und ist glücklich, dass ihr Weg sie zum Fraunhofer AISEC geführt hat, wo sie im Bereich IT-Sicherheit für das Quantencomputing forscht. 

Von Maria Poxleitner

„Gott sei Dank haben sie mich nicht genommen.“ Barbora Hrdá klopft auf ihren Bürotisch und lacht. Die 34-jährige Informatikerin spricht von der Absage, die sie nach ihrer Bewerbung um einen Studienplatz im Master Osteuropastudien, einem Elitestudiengang der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, erhalten hat. Es scheint, als schwinge in diesem Lachen immer noch Erleichterung mit. Erleichterung darüber, dass sie nun den Beruf ausüben kann, von dem sie weiß, dass sie mit ganzem Herzen dabei ist.

Woran sie arbeitet, fasst Barbora knapp zusammen: „Ich versuche Berechnungen auf Quantencomputern sicher zu machen.“ Während heutzutage fast jede und jeder einen eigenen Computer besitzt, werden Quantencomputer in der Regel „as a service“ angeboten. Nutzer:innen können auf den Quantencomputer, der beispielsweise beim Hersteller oder in einem Rechenzentrum steht, aus der Ferne über das Internet zugreifen. „Ich greife über eine Cloud auf Services zu, die nicht in meinem Hoheitsgebiet liegen“, beschreibt Barbora den Sachverhalt. Beim eigenen Rechner, den man vor sich habe, wisse man in etwa, was auf dem Gerät vor sich gehe. Da man aber keinen eigenen Quantencomputer im Keller habe, müsse man die Berechnung, die man durchführen wolle, verschicken: „In dem Moment, in dem die Berechnung deinen Rechner verlässt, weißt du nicht so wirklich, was damit passiert. Wird sie gespeichert? Wird sie verändert? Wer hat Zugriff darauf?“

Datensicherheit für das Quantencomputing

Es wird noch eine Weile dauern, bis Sicherheitsstandards wie im klassischen Computing existieren. Wie solche Standards aussehen könnten und welche Möglichkeiten es gibt, Quantencomputer bereits in der Zwischenzeit sicher zu nutzen, damit befasst sich Barbora im Rahmen ihrer Promotion am Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC. „In der IT-Sicherheit haben wir zwei unterschiedliche Schutzziele: Vertraulichkeit und Integrität“, erklärt die Informatikerin. Daten seien vertraulich, wenn niemand Unbefugtes sie auslesen könne. Integrität bedeute hingegen, dass Daten nicht verändert und somit auch die Ergebnisse nicht verfälscht werden können. Um Integrität zu gewährleisten, könne man seine Berechnung zum Beispiel auf mehreren Quantencomputern unterschiedlicher Hersteller parallel berechnen lassen und die Ergebnisse am Ende abgleichen, führt Barbora aus. Was die Vertraulichkeit angehe, gäbe es verschiedene Ansätze: „Einer davon ist, Berechnungen so zu verschleiern, dass der Quantencomputer gar nicht so richtig weiß, was er da rechnet, aber immer noch die richtige Lösung zu Stande bringt.“ Ein Beispiel hierfür sei das Rechnen auf verschlüsselten Daten. Ein anderer Ansatz sei es, Algorithmen in Teilberechnungen zu zerlegen: „Jede einzelne Teilberechnung schicke ich dann an einen anderen Quantencomputer, der mit diesem Bruchteil keine Rückschlüsse auf den ursprünglichen Algorithmus ziehen kann.“ Dieser Ansatz sei aber keinesfalls trivial und nur bestimmte Probleme eigneten sich dazu, sie derart in Teilprobleme zu zerlegen – „Bisher funktioniert das alles nur so semi“, räumt die Doktorandin ein.

Dass sie einmal zum Thema Quantencomputing forschen würde, daran hätte Barbora zum Ende ihrer Schulzeit nicht gedacht. Ab der fünften Klasse wohnte die gebürtige Pragerin mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in München und besuchte dort ein naturwissenschaftliches Gymnasium. „Ich hatte schon immer Spaß an Mathe“, erinnert sich die junge Informatikerin. Aber leider habe sie in der Oberstufe einen Lehrer gehabt, der seine Schülerinnen alles andere als dazu ermutigte, einen MINT-Beruf anzustreben. „Damals hatte ich noch nicht das Selbstbewusstsein zu sagen, ich kann das, ich hab‘ da Bock drauf.“

Barbora entschied sich daher zunächst für das Studium der Slawistik und belegte im Nebenfach Theaterwissenschaften. Was eigentlich als zeitliche Überbrückung gedacht war, gefiel ihr dann aber so gut, dass der Bachelor auch abgeschlossen wurde. Von einem Gymnasium mit starkem Fokus auf Naturwissenschaften kommend, fand sie die Anforderungen eines geisteswissenschaftlichen Studiums sehr spannend: „Da gibt es kein schwarz-weiß. Es gibt verschiedene Interpretationsmöglichkeiten und Lösungswege, die du wählen kannst, verschiedenen Ansichten, die du verargumentieren musst.“ Auch bei ihrer heutigen Tätigkeit profitiert Barbora von diesen Fähigkeiten: „Es fällt mir leichter als anderen, gute Texte zu produzieren, mich zu erklären und in Worte zu fassen, woran ich arbeite und wie ich dabei vorgehe.“

Barbora Hrdá, 34


Position

Doktorandin


Institut

Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit
QACI


Studium

Slawistik, Theaterwissenschaften & Informatik


In ihrer Forschung setzt sich Barbora damit auseinander, wie IT-Sicherheitsstandards für das Quantencomputing aussehen könnten und welche Möglichkeiten es gibt, Quantencomputer bereits heute sicher zu nutzen. Dafür befasst sie sich sowohl mit Konzepten auf Software- als auch auf Hardware-Ebene.

Barbora in ihrem Büro am Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit.

Von der Geisteswissenschaft zur IT

Auch wenn ihr die Slawistik viel Spaß machte – zum Ende des Bachelors haderte sie mit ihrer bisherigen Ausbildung und grübelte darüber nach, wie es weitergehen sollte. Die Bewerbung um einen Platz im Elitestudiengang Osteuropastudien der LMU, als naheliegendes Folgestudium, ging trotzdem raus. Gleichzeitig bewarb sich Barbora aber auch für einen Platz im Masterstudiengang „Computing in the Humanities“ in Bamberg, der Absolvent:innen geisteswissenschaftlicher Bachelorstudiengänge in die Informatik einführt. Die Entscheidung für oder gegen den Master Osteuropastudien wurde Barbora durch die Absage der LMU abgenommen. Die Rückmeldung aus Bamberg ließ allerdings den ganzen Sommer über auf sich warten. Was ist der Plan B, wenn auch hier eine Absage kommt? Und wenn eine Zusage kommt, schaffe ich den Quereinstieg dann überhaupt? Um dem Grübeln zu entfliehen und die Wartezeit zu überbrücken, beschloss Barbora zusammen mit ihrem Freund und einem gemeinsamem „Spezl“ aus Schulzeiten, einen Teil des spanischen Jakobswegs zu gehen. „Wenn man mal so drüber nachdenkt, was einen tagtäglich so beschäftigt und wie viele Gedanken einem durch den Kopf gehen – auf dem Jakobsweg ist deine Hauptsorge, wo du etwas zu essen bekommst und wo du die nächste Nacht verbringst. Das entschleunigt“, beschreibt Barbora ihre Erfahrung mit dem Fernwandern.

Nach ihrer Rückkehr aus Spanien war sie dann da, die Zusage für Bamberg. Viel Zeit blieb nicht, um den Umzug zu stemmen und schon ging es los mit dem neuen Studium: Viel Mathematik, Algorithmen, Datenstrukturen, Diskrete Modellierung – „Das erste halbe Jahr war schon hart“, erinnert sich Barbora: „Man fängt wieder ganz von vorne an und hat keine Vorkenntnisse, auf denen man aufbauen kann.“ Aber dann fing es doch irgendwann an, Spaß zu machen, und mehr und mehr verfestigte sich das Gefühl, nun das zu machen, was sie schon immer machen wollte. Die Doktorandin erinnert sich an ihre ersten Programmiererfahrungen zurück: „Wenn man stundenlang an einem Programm arbeitet und es nicht funktioniert, und man sich ärgert, weil man wieder irgendwo ein Semikolon vergessen hat – aber dieses Gefühl, wenn es dann funktioniert, das war etwas, was ich aus der Geisteswissenschaft so nicht kannte und das war eine Bestätigung, die ich unglaublich toll fand!“

Sich auf unbekanntes Terrain zu begeben und in neue Arbeitsfelder einfuchsen zu müssen, das bereitet Barbora heutzutage keine Sorgen mehr. Nach ihrem Masterabschluss arbeitete sie drei Jahre als Software-Entwicklerin bei einem Versicherungsunternehmen. Aber schließlich kam sie zu dem Schluss, dass sie das auf Dauer nicht erfülle – „Ich war nur der Umsetzer von Dingen. Mir hat da die geistige Herausforderung gefehlt.“ Über eine Informationsveranstaltung von Fraunhofer kam sie schließlich zu Fraunhofer AISEC, einem Institut für Cybersicherheitsforschung. Mit deren Zusage hätte sie nach Bewerbungen an mehreren Fraunhofer-Instituten am wenigsten gerechnet: „Ich hatte Erfahrung in der Informatik, aber keine Ahnung von IT-Sicherheit.“

Die wertschätzende Atmosphäre und ihre netten Kolleg:innen hätten die Mühen der erneuten Einarbeitung aber mehr als wett gemacht und es ist der jungen Informatikerin anzusehen, dass sie sich an ihrem Institut mittlerweile pudelwohl fühlt: Kurzer Smalltalk mit der Dame am Empfang, ein freundliches Kopfnicken hier, ein herzliches „Guten Morgen“ da. In ihrem Zweierbüro ist Barbora gerade alleine, da ihre Kollegin im Urlaub ist. Mit Vivija verstehe sie sich super, erzählt die Doktorandin begeistert, und durch sie sei sie auch zum Bouldern gekommen. Ansonsten verfolgt Barbora in ihrer Freizeit als ehemalige Eishockey-Spielerin auch gerne die Spiele des EHC Red Bull München, dem erfolgreichen Eishockeyclub aus der bayerischen Landeshauptstadt. Zusammen mit ihrem Freund, den sie in ihrem ehemaligen Verein kennenlernte, geht sie immer wieder mal ins Stadion. Als begnadete Schlittschuhläuferin – wie es alle ehemaligen Eishockey-Spieler:innen sind – wollte sie zuletzt die Eishalle im SAP Garden, dem neuen Zuhause des EHC im Olympiapark, testen. Ihren Freund, der sich dagegen gesträubt hätte, im August Schlittschuhlaufen zu gehen, hätte sie mit dem Argument, dass es sich hierbei doch um eine gute Abkühlung an diesen heißen Augusttagen handle, aber nicht überzeugen können, erzählt Barbora lachend.

„Wenn ich Dinge nicht weiß, dann kann ich sie lernen“

Auch in ihrem Büro ist es heute an diesem heißen Sommernachmittag mittlerweile ganz schön warm geworden. Auf dem Fensterbrett stapeln sich Bücher über Hacking und IT-Sicherheit, Rubik’s Cubes sowie die ein oder andere Spielerei aus Lego. Ihren Karriereweg verfolgt Barbora am Fraunhofer AISEC weiter. Während sie die ersten Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin angestellt war, hat sie sich mittlerweile für eine Promotion entschieden. Bei der Wahl des Promotionsthemas ist das Munich Quantum Valley nicht unerheblich gewesen. Innerhalb des großen Verbundes von Forschungseinrichtungen bringt sich Fraunhofer AISEC in die gemeinsamen Bestrebungen um Quantencomputer mit seiner Expertise im Bereich IT-Sicherheit ein. Und so wurde dieses Thema an Barbora herangetragen – wieder einmal fachliches Neuland für die Informatikerin. Doch mittlerweile hat sie das Selbstbewusstsein, das ihr nach der Schule noch fehlte: „Wenn ich Dinge nicht weiß, dann kann ich sie lernen.“ Durch Tutorials, die intensive Teilnahme an Sommerschulen und zahlreichen Hackathons habe sie sich in das Thema Quantencomputing eingearbeitet.

Momentan bereitet sich Barbora auf einen Forschungsaufenthalt in den USA vor. Für fünf Monate geht es an die Yale-Universität in New Haven an der Ostküste, erzählt die Doktorandin begeistert. Dort möchte sie sich mit Hardware-näheren Lösungen für die IT-Sicherheit im Quantencomputing auseinandersetzen. Ganz konkret geht es um das Thema ‚Trusted Execution Environments‘, kurz TEEs. In klassischen Computern seien TEEs heute Standard, erklärt die Informatikerin: „Man kann sich das vorstellen wie eine Art separater Sicherheitsbereich auf der Computerhardware.“ Darin dürften nur ganz bestimmte Prozesse stattfinden, zum Beispiel Kryptographie. Alle Daten innerhalb der TEE – also zum Beispiel bereits bei der Herstellung aufgespielte Schlüssel für das Decodieren von Daten – können von Code außerhalb dieses Bereichs weder ausgelesen noch manipuliert werden. Barbora fährt fort: „Uns stellt sich jetzt die Frage, ob man solche TEEs auch für Quantencomputer benötigt und falls ja, wie sich diese konkret realisieren lassen.“

Sie sei zuvor noch nie in Amerika gewesen, meint Barbora. Ihre Zeit in New Haven werde sie auf jeden Fall nutzen, an den Wochenenden die Umgebung, insbesondere auch Boston und New York City zu erkunden. Auch wenn beim Gedanken an ihren Forschungsaufenthalt ein klein wenig Nervosität mitschwingt – vor allem überwiegt die Freude und Neugierde auf dieses nächste kleine Abenteuer.


Veröffentlicht am 31. Oktober 2024; Interview am 12. August 2024